Fast könnte man auf die Idee kommen, dass die Finnen schon vor hunderten von Jahren Rock und Blues zelebriert haben, wenn man Pekko Käppi lauscht: Denn der Teufelskerl aus Tampere spielt seine teils elektrifizierte finnisch-karelische Leier Jouhikko mit solcher Leidenschaft, dass man sich mitunter auf dem legendären Tuska-Festival in Helsinki wähnen könnte! Seine musikalischen Mitstreiter K:H:H:L (was übersetzt so viel heißt wie „die Knochen des toten, verrückten Pferdes“) stehen ihm hier in nichts nach. Aber der Reihe nach: Pekko Käppi hat in Finnland maßgeblich zur Renaissance der fast schon vergessenen Jouhikko beigetragen. Gemeinsam mit seinen als Querköpfen bekannten Mitmusikern Nuuti Vaapaavuori am Bass, Tommi Laine an der Gitarre und Gilbert Kuppusami an den Drums taucht Pekko Käppi kopfüber in die heidnische finnische Vergangenheit ein. Er beweist, dass die archaischen Klänge bestens mit rauem Südstaaten-Blues und kernigem Rock harmonieren. Als GastsängerInnen sind auf „Credo“ Laura Moisio und Kielo Kärkkäinen mit dabei. Den eigenen Stil beschreibt die Band treffend als „Scandinavian Voodo“.
Dass Pekka Käppi früher in einer Rockband gespielt hat, erstaunt nicht wirklich. Sein Jouhikko-Spiel ist eine schmutzige, schweißtreibende Angelegenheit. Uralte finnische Flüche spielen in seinen Songs eine maßgebliche Rolle, wenn der Meister in die sommerlichen finnischen Sümpfe abtaucht. Bei meinem Blut, Mama: Diese Truppe würde in Wacken nicht als Außenseiter auffallen! Der junge Pekko hatte das Glück, als Austauschstudent in den USA sein ganz eigenes Erweckungserlebnis zu haben: Er sah die Grateful Dead live! Dass Jerry Garcia in seinen Arrangements auch Folk-Elemente verwendet, hinterließ bei dem Finnen einen nachhaltigen Eindruck.
„Credo“ ist bereits das fünfte Album von Pekko Käppi & K:H:H:L. Eigentlich hatte die Band nicht vor, so zügig mit neuen Aufnahmen zu beginnen. Aber im April 2022 erhielt Pekko die Nachricht, dass das legendäre, vollständig analoge Musikstudio „The Sound of JJ“ in Tampere schließen würde. Der Besitzer Juuso Nordlund hatte das Studio im Jahr 1980 gegründet und hunderte wichtiger Alben der finnischen Musikgeschichte hier aufgenommen.
Sofort buchte Pekko zwei Tage im Studio und trommelte seine treuen musikalischen Mitstreiter K:H:H:L zusammen. Sie hatten keinen Plan, aber ein Ziel: Die Handwerkskunst der analogen Aufnahme in ihrer schönsten Form zu erleben! Sie stimmten ihre Instrumente, und nach acht Stunden hatten sie neun Songs aufgenommen. Den zweiten Tag verbrachten sie mit Kaffeetrinken und bewunderten gebannt den Abmisch-Prozess.
Bei „Credo“ geht es vor allem darum, den flüchtigen Moment einzufangen. In die neun Songs sind zahlreiche musikalische Traditionen aus Finnland eingeflossen. Und die Impulse, die der auf Mauritius lebende Schlagzeuger Gilbert Kuppusami mitbrachte. Es geht aber auch um den analogen Prozess der Musikaufnahme. Fun fact: Das Album enthält mit „Melanz Kiltir“ en ersten finnischen Folk-Rock-Song, der in mauritischem Kreol gesungen wird! Zudem sind hier zwei Songs vertreten, die auf dem Repertoire des legendären finnischen Folksängers Taavi Uutela (1883 bis 1969) basieren. „In your face, artificial Intelligence!“, bringt Pekko die Dinge auf den Punkt. Und was bedeutet der Titel des Albums? Das können die Hörerinne und Hörer selbst entscheiden, sagt die Band. Aber der Titel hat auch mit der finnischen Redewendung zu tun: „Was bleibt, wenn nicht mehr viel übrig ist?“