Ein ungewöhnlicher Albumtitel! „Toisjalkainen“, übersetzt „Der Andersfüßige“ heißt der dritte Longplayer des finnischen Duos Emilia Lajonen & Suvi Oskala. Die beiden vielfach ausgezeichneten Musikerinnen überzeugen durch ihr kraftvolles Spiel und ihre ungewöhnlichen Interpretationen traditioneller Melodien und neuer Auftragskompositionen.
Das Folk-Duo hat erneut im reichen historischen Repertoire der Fiddler aus Mittelfinnland gestöbert. Der Titelsong „Toisjalkainen" bezieht sich auf den Spitznamen, den sich der legendäre Fiddler und Schneider Akseli Raatikainen selbst gegeben hat. Wie es die Legende will, wurde Raatikainen einst in der Stadt Kokkola von einem Fiddler aus Kaustinen überfahren, wodurch er leider ein Bein verlor. „Man kann nur hoffen, dass es sich um einen unbeabsichtigte Unfall handelte war und nicht um das Ergebnis einer schiefgelaufenen Fiddler-Rivalität“, schreiben die Musikerinnen.
Die putzlebendigen Album-Melodien stammen aus etablierten historischen finnischen Notensammlungen und umfassen zudem die aufregenden Entdeckungen aus Emilias jüngsten, aufwändigen Recherchen in den mittelfinnischen Musikarchiven. „Wenn wir nach neuen Stücken suchen, spielen wir sie durch und versuchen zu erspüren, welcher musikalische Geist uns anspricht. Oftmals entstehen neue Arrangements wie von selbst, wenn eine Melodie einfach an ihren Platz fällt. In anderen Fällen kann es Jahre dauern, bis wir die richtige Perspektive auf die Musik gefunden haben. Die besten Momente sind die, in denen wir an einem Arrangement arbeiten, die Klänge der Geigen ineinander greifen und der Fluss der Musik beginnt, uns vorwärts zu tragen“, beschreiben die Musikerinnen ihren kreativen Schaffensprozess.
Die Musik des Duos könnte man auch als die Fortsetzung der finnischen Musiktradition in die Neuzeit aus der Perspektive zweier heutiger Geigenspielerinnen beschreiben. Unter den überlieferten Musikstücken von Folkmusikern, die sich Anfang und Mitte des 20. Jahrhunderts in den Archiven finden lassen, gibt es nur sehr wenige, die von Instrumentalistinnen stammen. Die meisten Aufnahmen werden von Männer gespielt. In der Musik von Emilia Lajunen und Suvi Oskala werden diese Melodien heute wieder lebendig, jetzt aber gespielt von Frauen. Die Suche nach unterschiedlichen Interpretationen bedeutet für die beiden Musikerinnen, eine künstlerisch besonders interessante Perspektive einzunehmen. Sie setzen die Folk-Tradition dort fort, wo sie endete, als die Melodien damals in den Archiven aufgezeichnet wurden.
Zusätzlich zu den Originalarrangements enthält das Album auch zwei Auftragskompositionen, die beide von der Pandemie inspiriert sind, als die Kulturindustrie lahmgelegt war. Der Song „Sometimes It Snows In Spring“ wurde vom brillanten amerikanischen Fiddler Casey Driessen komponiert. Der Experte für perkussives Fiddle-Spiel besuchte gerade Finnland, als die Pandemie ausbrach. Als er in Suomi gestrandet war, komponierte Driessen ein Stück speziell für das Duo über die überraschenden Schneestürme und die wild schwankenden Wetterbedingungen. Die Akkordeonistin Teija Niku komponierte das zweiteilige Stück „Balkanodemia“", dessen Titel eine spielerische Anspielung auf die Pandemie ist und in dem die melodischen und rhythmischen Stile der Balkanmusik verarbeitet werden. In beiden Stücken kann das Duo sein breites Spektrum zeigen.
Das Duo Emilia Lajunen & Suvi Oskala besteht aus zwei bekannten finnischen Folk-Musikerinnen, die ihre intimen Kenntnisse der reichen finnischen Folk-Tradition mit meisterhaftem Geigenspiel verbinden. Im Laufe ihrer Karriere sind die beiden Musikerinnen unter anderem in Finnland, China, Südkorea, Indien und den nordischen Ländern aufgetreten. Im Jahr 2019 waren sie unter den „Vorzeigekünstlerinnen“ auf der Weltmusikmesse WOMEX.
Die Musikerinnen haben sich zudem einen Ruf als „Pionierinnen des umweltfreundlichen Tourens“ auf ihren Fahrrädern erworben. Denn außer ihrem fabelhaften Geigenspiel ist das Duo auch für seine Radtouren bekannt, die sie seit dem Jahr 2017 in Finnland zelebrieren. Vor ihren Duo-Touren unternahm Emilia Lajunen im Jahr 2015 eine Solo-Radtour, die sich quer durch ganz Finnland führte: Während dieser Tour radelte sie 3.500 Kilometer und spielte über 40 Konzerte! Emilia Lajunens Solo-Tour und auch die späteren Radtouren des Duos haben sowohl dem Publikum als auch den beteiligten Veranstaltungsorten die Augen geöffnet. Ziel des Duos ist es, langsam aber sicher die Musikindustrie und ihre Arbeitsmethoden zu verändern. „Mit dem Fahrrad oder dem Zug zu Konzerten zu fahren ist langsamer als zu fliegen, aber in Zeiten der Umweltkrise muss umweltbewusstes Handeln der Weg für uns alle sein“, schreiben die Musikerinnen.